Eine Kartei über Menschen die betteln

Stilles Betteln ist ein verfassungsmäßig garantiertes Recht. Oberösterreich könnte aber einen Weg gefunden haben, es zu verweigern.

Seit April hat Oberösterreich eine eigene Datenbank für Bettler­Innen. Darin können laut Landesregierung ab sofort alle bettelnden Menschen mit ihren persönlichen Daten und einem Foto erfasst werden, egal ob sie eine erlaubte oder eine unerlaubte Form des Bettelns ausüben. Mit der Datenbank sollen sogenannte „gewerbliche“ BettlerInnen identifiziert und überführt werden. „Gewerbliches Betteln“ liegt laut Begleittext des Gesetzes unter anderem dann vor, „wenn das Betteln geplant, regelmäßig, also wiederholt oder in Wiederholungsabsicht“ betrieben wird, auch wenn es sich dabei um stilles und somit legales Betteln handelt. Wird das Gesetz wirklich so angewendet, hätte Oberösterreich de facto etwas durchgesetzt, was der Verfassungsgerichtshof in anderen Bundesländern bislang immer aufgehoben hat: ein absolutes Bettelverbot und damit ein wirksames Instrument zur Verdrängung von osteuropäischen Armutsreisenden. Das verschärfte Bettelverbot könnte der traurige Höhepunkt einer jahrelangen Entwicklung sein, in der der Spielraum für legales Betteln sukzessive eingeschränkt wurde. Die Maßnahmen richten sich gezielt gegen Menschen aus Osteuropa, die auf der Suche nach Arbeit hierher kommen, aber meist keine andere Möglichkeit haben, als zu betteln. Es ist eine Art „negativer Standortwettbewerb“ im Gange, in dem die größeren Städte versuchen, die Rahmenbedingungen für Armutsreisende immer unattraktiver zu gestalten – in der Hoffnung, sie dadurch fernzuhalten. Denn ihre Anwesenheit wird als störend empfunden, konfrontieren sie doch die Bevölkerung mit einer Art von Armut, die bei uns längst in Vergessenheit geraten ist.

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Bettelverbot: Was die Stadtwache darf und was nicht

Das Bettelverbot und die Stadtwache

Die Kompetenzen der Stadtwache gehen eigentlich nicht über jene „normaler“ BürgerInnen hinaus. Sie dürfen ermahnen, anzeigen und bei einer Straftat ertappte Personen festhalten. Das Bettelverbot schafft aber eine neue Situation. Seit Juli 2011 ist „organisiertes“ und „aufdringliches“ Betteln in OÖ verboten. Die Stadtwache exekutiert dieses Gesetz. Für diesen einen Aufgabenbereich erweitern sich die Befugnisse des Ordnungsdienstes gravierend.

Grundsätzlich darf die Stadtwache in Fällen von „organisierter“ oder „aufdringlicher“ Bettelei nach dem OÖ. Polizeistrafgesetz:

  • Anhalten zur Feststellung der Identität einer Person
  • Ermahnungen aussprechen
  • Geld und Gegenstände beschlagnahmen
  • Festnehmen

Diese auf den ersten Blick umfassenden Befugnisse dürfen von den MitarbeiterInnen der Stadtwache jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden:

Ermahnungen können nur ausgesprochen werden, wenn eine geringfügige Verwaltungsübertretung bereits begangen wurde und die Ermahnung erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Beschlagnahme ist nur bei „Gefahr im Verzug“ und nur bei Gegenständen zulässig, für die gesetzlich der „Verfall“ als Strafe vorgesehen ist, also Geld und Gegenstände, die durch unerlaubte Bettelei erworben wurden. „Gefahr im Verzug“ ist nur dann gegeben, wenn für den Fall der Nichtbeschlagnahme die Fortsetzung der strafbaren Handlung wahrscheinlich ist. Oder wenn verhindert werden soll, dass Gegenstände, für die der Verfall als Strafe vorgesehen ist, dem Zugriff der Behörde entzogen werden sollen. Wenn überhaupt dürfen also nur das erbettelte Geld oder erbettelte Gegenstände beschlagnahmt werden. Über die beschlagnahmten Gegenstände ist dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen.

Eine Festnahme durch die Stadtwache ist nur dann zulässig, wenn

  • die Polizei nicht rasch genug einschreiten kann
  • jemand auf frischer Tat ertappt wird und unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist
  • wenn der Verdacht besteht, dass sich die Person der Strafverfolgung zu entziehen sucht oder trotz Abmahnung einfach mit der strafbaren Handlung weitermacht

Wer sich also ausweisen kann oder nach Abmahnung das „aufdringliche Betteln“ einstellt, kann nicht festgenommen werden.

Organstrafverfügungen darf die Stadtwache nicht ausstellen, da diese im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion (wie in Linz der Fall) nur von dieser selbst verhängt werden dürfen.

Ein Einschreiten im Rahmen des Bettelverbots bringt aber auch Pflichten mit sich:

  • Bedienstete des Ordnungsdienstes müssen Dienstabzeichen und Dienstausweis mit sich führen und auf Verlangen vorweisen. Ein Register mit Name, Dienstnummer, Dienstantrittsdatum und Befugnissen liegt beim Magistrat auf und ist für alle BürgerInnen einsehbar.

Darüber hinaus werden die MitarbeiterInnen der Stadtwache bei der Durchsetzung des Bettelverbots zu BeamtInnen im Sinne des Strafgesetzbuches. So gilt eine Körperverletzung an ihnen automatisch als „schwere Körperverletzung“. Sie unterliegen aber auch der Amtsverschwiegenheit und können wegen Amtsmissbrauch oder Geschenkannahme belangt werden. Außerdem sind sie verpflichtet das OÖ Antidiskriminierungsgesetz einzuhalten. Jedes diskriminierende Verhalten bezüglich ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Orientierung wie z.B. abfällige Bemerkungen, Beschimpfungen, Gesten usw. sind von Seiten des Ordnungsdienstes zu unterlassen. Ansonsten kann gerichtlich auf Schadenersatz geklagt werden.

All diese Rechte und Pflichten gelten aber ausschließlich bei einem Einschreiten nach dem Bettelverbot, bei allen anderen Aufgaben haben die Bediensteten der Stadtwache nicht mehr Kompetenzen als „normale“ BürgerInnen auch.

Dieser Text wurde von Giro und Christopher Frank geschrieben.

Stadtwache gegen BettlerInnen?

Ein Blog-Eintrag von Giro übernommen aus dem sehr empfehlenswerten KUPF-Blog:

Derzeit wird im Linzer Gemeinderat heftig über den Zuständigkeitsbereich des Ordnungsdienstes gestritten. Anlass ist das vom Landtag beschlossene Bettelverbot. Es stellt den Gemeinden frei, eigene Sicherheitsorgane mit der Exekution des Gesetzes zu betrauen. Die Formulierung läßt aber offenbar zwei Rechtsauffassungen zu.

FPÖ, ÖVP, Bezirksverwaltungsamt und die städtischen JuristInnen vertreten die Meinung, dass die Stadt, da sie das Gesetz kontrollieren muss und weil sie über Institutionen wie den Ordnungsdienst verfügt, diese als besondere Aufsichtsorgane bestellen muss. SPÖ und Grüne wiederum meinen, dass die Stadt das Gesetz zwar kontrollieren muss, aber nicht zwangsläufig durch den Ordnungsdienst.

Bezirksverwaltungsdirektorin Dr. Steininger wird in der Zeitung „Österreich“ vom 10. Juni mit der Aussage zitiert, wonach sie dem Ordnungsdienst die Ermächtigung zur Kontrolle erteilen werde. Eine Weisung von Sicherheitsstadtrat Wimmer hat es bislang nicht gegeben. Ein von den Grünen eingebrachter Antrag, der die Exekution des Verbots durch den Ordnungsdienst ausdrücklich untersagt, wurde von der SPÖ nicht unterstützt – aus juristischen Gründen, wie sie sagt. Bald soll es Gespräche zwischen Stadt und Land über die Intention des Gesetzes geben. Soweit der aktuelle Stand.

Der Konflikt war anscheinend vorprogrammiert. Das Bettelverbot wurde von vielen als schlampig und unklar kritisiert, was sich nun zu bestätigen scheint. Das Gesetz erlaubt Einzelnen das Betteln ausdrücklich, verboten ist organisiertes und aggressives Betteln. Somit richtet es sich ganz klar gegen ausländische BettlerInnen. Aus SPÖ-Kreisen hört man, dass der Ordnungsdienst sowieso nicht in der Lage sein wird, den Nachweis für organisiertes Betteln zu bringen und die Betrauung desselben somit wirkungslos bleibt. Deshalb wird es wohl keine Weisung des Bürgermeisters geben.

Hintergrund des für viele KritikerInnen unverständlichen Verhaltens der Sozialdemokratie ist ein strategisches Dilemma, das sich durch viele Bereiche roter Politik zieht. Die Funktionärsschicht ist durchwegs gegen das Bettelverbot, so wie sie eigentlich auch gegen die Stadtwache ist. Ihre potentiellen WählerInnen hingegen befürworten beides mehrheitlich. Deshalb sind beide Themen äußerst unangenehm und ein direktes Vorgehen für die Partei nicht günstig.

Am 4. Juli tritt das Gesetz in Kraft und sollte es die Stadtwache exekutieren, werden ihr wohl viele Menschen dabei auf die Finger schauen. Spannend wird jedenfalls die Verfassungsklage von SPÖ und Grünen auf Landesebene, an der gerade gebastelt wird.

Bettelverbot! – Wenn Armutsbekämpfung zunehmend versagt, bekämpft man eben die Armen

Ein Artikel aus der März Ausgabe der Kupfermuckn

Wenige Monate nachdem das »Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2010« zu Ende gegangen ist, soll im OÖ Landtag am 10. März ein Bettelverbot beschlossen werden. Der Gesetzesentwurf stellt hinkünftig sogenanntes »aufdringliches Betteln« und das Betteln von Unmündigen unter Strafe:

§ 1a Bettelei: (1) »Wer in aufdringlicher Weise, wie durch Anfassen oder unaufgefordertes Begleiten oder Beschimpfen, um Geld oder geldwerte Sachen bettelt oder von Ort zu Ort oder von Haus zu Haus umherzieht, um so zu betteln, begeht eine Verwaltungsübertretung. (2) Wer eine unmündige minderjährige Person zum Betteln im Sinn des Abs. 1, in welcher Form auch immer, veranlasst oder diese bei der Bettelei mitführt, …«

Bis jetzt war das Sammeln von Geld im OÖ Sammlungsgesetz geregelt, das aber für caritative Einrichtungen wie die Sternsinger oder das Rote Kreuz gedacht war. Mit dem neuen Gesetz sind sicher nicht die unmündigen Sternsinger gemeint, die von Haus zu Haus ziehen. Im Jahr 2010 gab es alleine in Linz 152 Anzeigen wegen Bettelei, im Kulturhauptstadtjahr 2009 waren es sogar 356. Das ergab eine Anfrage des Grünen Gemeinderates Markus Pühringer an Bürgermeister Franz Dobusch. In den Strafverfügungen wird derzeit bei der ersten Übertretung eine Geldstrafe von 100,- Euro (17 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) und im Wiederholungsfall von 300,- Euro (51 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Wobei laut Dobusch die verhängten Geldstrafen zu 100 Prozent uneinbringlich seien.

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