Häufig gestellte Fragen

Wer sind die BettlerInnen und woher kommen sie? Viele der Menschen kommen aus der Slowakei, Ungarn, Bulgarien und Rumänien, manche von ihnen sind Roma und Romnija (Roma-Frauen). Genauso betteln aber auch Menschen aus Österreich.
In Oberösterreich sind relativ wenige Menschen aus Bulgarien unterwegs. Die meisten sprechen ungarisch – egal aus welchem Land. Auch sind einige Menschen aus Tschechien da.
Auch betteln Menschen, die Asylwerber waren, nicht abgeschoben werden dürfen oder können und keinerlei Leistungsansprüche in Österreich haben (z. B. Tschetschenen, die psychisch krank sind und suchtkrank)
Für wie lange kommen die BettlerInnen nach OÖ? Die meisten BettlerInnen kommen nur für kurze Zeit, sie wollen nicht hierher umziehen. Die Mehrheit der BettlerInnen aus der Slowakei kommt für 2 Wochen um zu betteln. Danach bleibt man wieder längere Zeit zu Hause. Personen aus Bulgarien (und Rumänien) wiederum bleiben meistens für einige Monate, damit sich der Aufenthalt auch finanziell rentiert.
In Linz ist eine Gruppe von SlowakInnen seit 2004/05 hier, die sich die meiste Zeit des Jahres in Linz aufhält (vor allem Abbruchhäuser). Zum Teil betteln die Menschen, zum Teil arbeiten sie als SexworkerInnen in Clubs oder Lokalen.
Zahlreiche Personen sind nur ganz kurz da, jetzt freuen sich einige, dass sie in wenigen Monaten legal arbeiten dürfen. Es sind ganze Familien da, die relativ dauerhaft in Linz leben.
Warum betteln diese Menschen? Unter den heutigen BettlerInnen hatten die meisten bis zur Wende 1989 eine fixe Arbeit in der Region. Viele von ihnen sind schlecht ausgebildet, weil sie in Sonderschulen abgeschoben wurden. Heute haben sie deshalb und aufgrund von Rassismus und Diskriminierung in den ohnehin strukturschwachen Regionen nur sehr schlechte Chancen auf regelmäßige Arbeit.
Die meisten haben überhaupt keine Chance auf Arbeit in der Heimat und die Sozialleistungen sind extem niedrig, während die Lebensmittelpreise z.B. in Rumänien annähernd österreichisches Niveau haben. Es gibt einige, die dort überhaupt keinen Anspruch mehr auf Sozialleistungen haben.
Wer bekommt das erbettelte Geld? Die BettlerInnen verwenden das Geld für sich selbst und Familienangehörige. Erstens geht es oft darum, in akuten Notlagen rasche Abhilfe zu schaffen. Zweitens müssen die Kosten für das tägliche Leben bestritten werden. Drittens ermöglicht Betteln nachhaltige Investitionen in die Zukunft. Zum Beispiel gibt es BettlerInnen, die alles tun, damit ihre eigenen Kinder eine bessere Ausbildung erhalten als sie selbst. Dazu muss Geld für den Bus, die Verpflegung in der Schule und für den sonstigen Schulaufwand aufgebracht werden.
Warum betteln Menschen mit Behinderung? Personen mit Behinderung beziehen nur extrem geringe staatliche Unterstützungszahlungen (in Bulgarien ist diese Situation besonders schlimm). Sie können nicht arbeiten, gleichzeitig ist mit dem Pflegegeld aber kein Überleben möglich. Außerdem werden behinderte Menschen besonders in Bulgarien stark diskriminiert, und das, obwohl die Gebrechen oft erst durch falsche oder fehlende medizinische Behandlung entstanden sind.
Wie kommen die BettlerInnen nach Österreich? Die BettlerInnen aus der Slowakei reisen gemeinsam im Auto an, um Geld zu sparen. Die Kosten für den Treibstoff werden aufgeteilt. BettlerInnen aus Bulgarien fahren außerdem auch mit Linienbussen.
Die Leute Zahlen – falls sie nicht mit dem eigenen Auto unterwegs sind – für eine Fahrtstrecke ca € 100 pro Person und auch für das Übernachten im Auto bezahlen sie dem Autobesitzer bis zu drei Euro pro Nacht. Größere Familien kommen im sehr alten Bus oder Van aus Rumänien. Sie nutzen die Fahrzeuge auch, um die Flohmarktwaren nach Haus zu transportieren. Die Fahrzeuge sind oft ganz alt (z. B. ein Mercedes mit mehr als 500.000 km.) so ergeben sich dann die Thesen von den fetten Autos. Sie kommen fast überhaupt nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Auto ist häufig das Wahn- und Schlafzimmer für die ganze Familie (vom Baby bis zur Oma)
Welche Formen des Bettelns sind bereits verboten? Das Landessicherheitsgesetz verbietet in der geltenden Fassung aufdringliches Betteln. Das bedeutet, dass es nicht erlaubt ist, durch Anfassen oder unaufgefordertes Begleiten und Beschimpfen, um Geld oder geldwerte Sachen zu betteln. Außerdem ist es verboten, eine unmündige minderjährige Person zum Betteln zu veranlassen (in welcher Form auch immer) oder Kinder beim Betteln mitzuführen. Ein Verstoß gegen dieses Gesetz wird mit bis zu € 2.000,00 bestraft.
Gibt es kriminelle Formen des Bettelns? Betteln ist nicht kriminell. Wenn aber in Einzelfällen in Verbindung mit anderen Delikten gebettelt wird, gibt es dagegen bereits Regelungen im Strafgesetzbuch. Dazu zählen beispielsweise Erpressung, Nötigung, Menschenhandel, Täuschung, Betrug oder Erschleichung. Zudem ist die Gründung und Mitwirkung an verbrecherischen Komplotten, Vereinigungen und kriminellen Organisationen, deren Zweck die Durchführung solcher Delikte ist, verboten. Würden Menschen also etwa zum Betteln gezwungen oder beim Betteln ausgebeutet, würde das einen oder mehreren dieser Straftatbestände darstellen (je nachdem, wie der Fall genau aussieht).
Welche Grund- und Menschenrechte sind von einem Bettelverbot betroffen? Das Recht auf Privatleben umfasst die Freiheit der Lebensgestaltung und die Erwerbsfreiheit. Diese können nur in zumutbarer Form und zum Schutz anderer Rechte eingeschränkt werden (wie z.B. beim Verbot des Bettelns mit Kindern). Außerdem sind nach der österreichischen Verfassung keine Gesetze, die Grundrechte einschränken, erlaubt, wenn sie sich ganz besonders auf eine Volksgruppe oder Minderheit auswirken. Ein Bettelverbot würde jedoch in erster Linie Roma und Romnija betreffen. Es ist daher sehr bedenklich, ob ein allgemeines Bettelverbot der österreichischen Verfassung entspricht.
Warum versorgt das Sozialsystem ihrer Herkunftsländer die BettlerInnen nicht? In den postkommunistischen Ländern, aus denen die BettlerInnen kommen, bleibt den Roma und Romnija aufgrund von Rassismus und hoher Arbeitslosigkeit häufig nur die Sozialhilfe. Diese ermöglicht es de facto aber nicht, die Kosten des täglichen Lebens abzudecken. In Ausnahmesituationen (Operationen, Tod eines Familienmitglieds etc.) werden die Betroffenen allein gelassen.
Wie hilft man den BettlerInnen am besten? Eine Spende an die BettlerInnen hilft ihnen direkt und unmittelbar. Das Geld wird dann dort investiert, wo es am dringendsten gebraucht wird – von Medikamenten über die Ausbildung der Kinder bis hin zur Stromrechnung. Immer wieder wird vorgeschlagen, mehr Sozialprojekte in den Herkunftsregionen der BettlerInnen zu finanzieren. Gute Sozialprojekte sind sehr notwendig, können aber niemals alle erreichen, wenn sich die staatlichen Rahmenbedingungen nicht verändern. Im wachsenden Europa soll nicht nur der Warenverkehr grenzüberschreitend sein, sondern auch die soziale Verantwortung. Zivilgesellschaft und Politik müssen sich für grundlegende Verbesserungen der Lebenssituation von Armen und sozial Ausgegrenzten einsetzen und dafür Geld in die Hand nehmen.
Wenn es uns nicht gelingt, diese Menschen zu integrieren, haben wir in wenigen Jahren eine Ghettoisierung. Die Kinder sollten bei uns auf jeden Fall Schulbildung bekommen und eine Grundversorgung mit fixen Wohnplätzen.
Warum arbeiten die BettlerInnen nicht? BettlerInnen aus Osteuropa dürfen in Österreich nicht arbeiten. Ab Mai 2011 wird das für Menschen aus der Slowakei möglich werden. Außerdem ist Betteln eine Form von Arbeit, auch wenn sie nur deshalb gewählt wird, weil es keine Alternativen gibt. Den PassantInnen, die vorüber gehen, bleibt es völlig frei gestellt, ob sie etwas spenden möchten oder nicht.
Zum Teil arbeiten die Menschen als SaisonarbeiterInnen, zum Teil in dem Bereich, den sie legal in Österreich ausüben dürfen, nämlich als SexworkerInnen, zu durchwegs sehr schlechten Bedingungen, da ohne jegliche Alternative.
Wie lange sitzen BettlerInnen auf der Straße? Die ersten BettlerInnen beginnen auch im Winter bei minus 10-15°C in der Früh um 6:30 Uhr zu arbeiten. Das liegt daran, dass die Vergabe der Plätze nicht organisiert wird und die Notschlafstellen um diese Zeit schließen. Die BettlerInnen sitzen mit kleineren Unterbrechungen, um sich etwas zu essen oder zu trinken zu besorgen, bis zu 8–10h auf der Straße. In Oberösterreich sind diese Leute aus fast allen Einrichtungen und von allen Leistungen ausgeschlossen. Sie Schlafen in Abbruchhäusern, weil sie in Notschlafstellen nicht genommen werden. In Linz gibt es nur die Wärmestube der Caritas, die diese Menschen ohne Einschränkungen aufnimmt.
Wieviel verdienen die BettlerInnen pro Tag? Die Einnahmen des Bettelns sind abhängig von Wetter, Geschlecht, körperlichem Zustand, Alter, Jahreszeit, Standort und anderen Umständen. Im Durchschnitt verdienen BettlerInnen zwischen sechs und maximal zwanzig Euro am Tag.
Woher kommen die Vorurteile über BettlerInnen? In den Medien kursieren immer wieder Gerüchte über BettlerInnen. Manche davon haben mit Missverständnissen zu tun. Beispielsweise legen BettlerInnen, die sich kennen, immer wieder Geld zusammen, um Jause und Säfte zu kaufen. Dafür holt sich eine Bettlerin oder ein Bettler bei den anderen Geld und bringt dann die Lebensmittel. Die Polizei hat öfters genaue Untersuchungen zu dem Thema durchgeführt und nichts Verdächtiges gefunden. Die BettlerInnen sind also nicht kriminell. Da in Oberösterreich das Sammlungsgesetz auf die Bettelei angewendet wurde, obwohl die Exekutive noch nie nachweisen konnte, dass jemand für eine Organisation gesammelt hatte, führte das dazu, dass den Bettlern alles Geld, das sie bei sich haben, abgenommen wird und wurde. Deshalb ging einer immer rundum, um auch kleine Summen zusammenzusammeln.
Seitens der Exekutive war das Geld immer als Vorausleistung auf die zu erwartende Strafe gesehen worden. Es werden die Leuten dann zu langen Ersatzfreiheitsstrafen verdonnert (mit drei Monaten Haft und mehr) und z. Teil aus Österreich ausgewiesen und mit einem Aufenthaltsverbot belegt. Dabei ist anzumerken, dass die ExekutivbeamtInnen in der Nietzschestraße durchaus human mit diesen Menschen umgehen und sie die Probleme sehen.
Wo bekomme ich verlässliche Infos zum Thema Betteln? Zum Thema Betteln in Österreich gibt es einige wissenschaftliche Studien. Aber auch für eine breite Öffentlichkeit existiert bereits viel Material: Etwa der Dokumentarfilm „Natasha“ (von Ulli Gladik) und viele Reportagen in Zeitungen und Magazinen, von denen Sie hier einige Kopien nachlesen können. Ungefilterte Informationen bekommt man am besten, wenn man selbst Kontakt aufnimmt, in die Wärmestube der Caritas geht, ungarisch lernt. Ganz einfach Interesse an den Menschen zeigt.

Die Fragen und Antworten basieren auf der Arbeit des ETC Graz, dem Europäischen Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie. Das Originaldokument finden sie hier: http://www.etc-graz.at/typo3/index.php?id=1164

Texte: Wolfgang Benedek, Stefan Benedik, Ulrike Gladik, Klaus Starl, Alexandra Stocker, Barbara Tiefenbacher, Agnes Truger

Diese Antworten sind auf Basis der folgenden wissenschaftlichen Arbeiten erstellt worden:
Appel, Margit: Betteln. Strategien gegen Verdrängung. In: Schande Armut. Stigmatisierung und Beschämung. Hg. von der Armutskonferenz. Wien 2008. S. 83-92.
Barbul, Radiša et al.: Kein Opfer. In: urbanes lernen. Bildung und Intervention im öffentlichen Raum. Hg. von Marion Thuswald. Wien 2010.
Benedik, Stefan: Harming „Cultural Feelings“. Images and Categorisation of Temporary Romani Migrants to Graz. In: Multidisciplinary Approaches to Romany Studies. Hg. von Michael Stewart, Márton Rövid. Budapest 2010. S. 71-90.
Duffek, Elke et al.: Lebensweltanalyse der bettelnden Roma in Graz. In: SiÖ 42 (154) 2007. S. 24-27.
Koller, Ferdinand: Betteln in Österreich. Eine Untersuchung aus theologisch-ethischer Perspektive. Unveröff. theol. Dipl. Wien 2009.
Thuswald, Marion: Betteln als Beruf? Wissensaneignung und Kompetenzerwerb von Bettlerinnen in Wien. Unveröff. päd. Dipl. Wien 2008.