Offener Brief von Erich Klinger an die Linzer SPÖ

Offener Brief von Erich Klinger an die Gemeinderatsfraktion der SPÖ Linz

Sehr geehrte Damen und Herren, werter Herr Bürgermeister Luger,

als Mensch und auch als Bürger dieser Stadt lehne ich Ihr Ansinnen, gegen die „organisierte Bettlerei in Linz“ mit sektoralen und temporären Bettelverboten vorzugehen, entschieden ab. Und den von Ihnen formulierten Argumenten, ich zitiere: „Die Grenzen der Zumutbarkeit sind überschritten. Deshalb werde ich ein Treffen mit Polizei und City Ring vereinbaren, um mögliche bettelfreie Zonen zu besprechen. Zusätzlich werde ich die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein sektorales Bettelverbot erstellen lassen“, sagt Bürgermeister Klaus Luger zur aktuellen Debatte. „Das Menschenrecht auf Bettelei würde dadurch nicht in Frage gestellt. Armut muss aus meiner Sicht aber an anderen Stellen bekämpft werden. Die Probleme ausländischer BettlerInnen lösen wir nicht in Linz. Und schon gar nicht durch Bettelorganisationen“, schließt Luger.“ kann ich beim besten Willen nicht folgen.

Was unterscheidet denn noch Ihre Argumentation von jener der FPÖ? Oder sind wir auch schon in Linz auf dem Weg zu einer Vereinigten Sozialen Heimatpartei, in der man nur mehr mit Akribie Restspuren eines politischen Bewusstseins ausmachen kann, das auch einer Sozialdemokratie einmal eigen war?

Was treibt Sie dazu, eine Aussage zu tätigen, wonach „Die Grenzen der Zumutbarkeit überschritten sind?“ Als in der Linzer Innenstadt lebender Bewohner dieser Stadt kann ich zudem keine „überbordende Bettelei“ fest stellen. Die Armut der Menschen, die sich in Linz aufhalten, um ihren Lebensunterhalt durch Bettelei zu bestreiten, lässt sich nicht durch Verbote und Schikanen lindern. Und auch nicht mit dem Hinweis darauf, dass andernorts etwas getan werden müsste. Dort, wo die Menschen herkommen. Das wäre ja auch ein Ansatz, Nachschau zu halten, warum diese Menschen zu uns kommen – und dieses Wissen auch öffentlichkeitswirksam zu vermitteln.

Ihnen das Recht abzusprechen, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu organisieren, sei es dahingehend, dass sie sich gemeinsam auf den Weg nach Österreich, nach Linz machen, oder auch dahin gehend, dass sie ihre Tätigkeit untereinander koordinieren, halte ich für perfide. Und, für den Fall, dass an den seit Jahren in Umlauf gebrachten Behauptungen, es stünden hinter in Gruppen auftretenden BettlerInnen“skrupellose Drahtzieher, die Benachteiligte ausnützen“ etwas dran ist: warum fällt Ihnen dann nichts Besseres mehr ein, als mittels der sehr schwammigen Formulierung von „gewerbsmäßiger Bettelei“ sämtliche BettlerInnen, die in Gruppen auftreten, zu diskreditieren und in die Nähe organisierter Kriminalität zu rücken? Oder widerspricht das Ihrer Vorstellung, dass bettelnde Menschen außerstande sind, sich auch ohne Drahtzieher zu organisieren?

Und das Argument, man würde die armen Menschen, die infolge ihrer Armut von skrupellosen Drahtziehern ausgebeutet würden, schützen, in dem Bettelverbote ausgesprochen werden, ist doch
absurd, oder scheinheilig. Aber irgendein an den Haaren herbeigezogenes Konstrukt oder eine Schutzbehauptung braucht man ja wohl, um gegen die Armen vorgehen zu können, die das Stadtbild stören, nervig sind mit ihrer Bettelei, den Geschäftsleuten die guten Umsätze verderben usw. Und dann kann man getrost mit Stadtwache, Polizei und unter Beifall „besorgter BürgerInnen“ bzw. des City-Rings daran gehen, die „Bettler-Organisationen“ und auch gleich die wenigen noch verbliebenen Punks und sonstige Unruhestifter aus der Innenstadt zu vertreiben.

Doch, und wiederum abseits von Polemik, stelle ich dezidiert fest, dass ich es für ein Armutszeugnis halte, mit Repressionen gegen Menschen vorzugehen, deren größter Fehler es ist, arm zu sein. Nein, die Linzer Stadtpolitik kann wahrlich nicht alle Probleme lösen, die uns in Gestalt von Menschen begegnen, die versuchen, sich hier in Linz zumindest über Wasser zu halten, weil sie dort, wo sie herkommen, keine Chancen sehen, doch sie trotz aller Probleme, die sich aus diesem Zusammentreffen von Armut und noch einigermaßen intakter Lebensumwelt ergeben, als Menschen wahrzunehmen und nicht bloß als unliebsamer Störfaktor, sollte doch umsetzbar sein. Ich meine auch, dass die ständige feindbildhafte Darstellung „bettelnder Menschen“ aus dem osteuropäischen Raum nicht zuletzt auch den Brandanschlägen der jüngsten Zeit Vorschub geleistet hat.

Als Sozialdemokratin/als Sozialdemokrat würde ich mich daher in erster Linie fragen, was das für eine Stadt geworden ist, in der armen Menschen, die sich ohnehin sehr zurückgezogen haben mit ihren Quartieren, wiederholt ihr weniges Hab und Gut angezündet wird, offenbar aus Feindseligkeit, aus Hass gegenüber einer Gruppe von Menschen, die immer noch wegen ihrer „Andersartigkeit“ verfolgt wird. Und mich auch nicht noch dafür hergeben, Verbote zu schüren, die letztlich auch darauf aufbauen, dass Betteln als Erwerbsquelle in den letzten Jahren immer weiter in die Nähe organisierter Kriminalität gerückt wurde, in Gruppen bettelnde Menschen zu Bettlerbanden stilisiert wurden. Und ich würde mich auch angesichts der heutigen mit einem Paragrafenzeichen illustrierten Presseaussendung aus dem Ressort von Sicherheitsstadtrat Wimmer fragen, ob ich noch bei Trost bin, mich mit einem „politischen Partner“ einzulassen, der sich einer Sprache bedient, die noch zusätzlich Emotionen gegen unliebsame Menschen schürt, der Artikel strotzt vor getarnter Gehässigkeit, bitte lesen Sie sich den Text laut durch:

Illegales Zeltlager bei der Waldeggstraße freiwillig geräumt Heute, 30. März 2016, ist es dem städtischen Erhebungsdienst gemeinsam mit der ASFINAG und der Polizei gelungen, ein illegales Bettler-Zeltlager aufzulösen, das sich auf einem Grundstück der ASFINAG an der Waldeggstraße befand. Der Erhebungsdienst wurde durch AnrainerInnen-Beschwerden auf das illegale Lager aufmerksam. Die zirka 50 Personen haben nach einem Gespräch mit dem Grundstückseigentümer freiwillig mit dem Abbau begonnen. Nachdem laut Polizei organisierte Bettlerbanden immer wieder Zelte in diesem Bereich aufstellen, hat die Stadt Linz Kontakt mit der ASFINAG aufgenommen, um solche Situationen künftig zu vermeiden. Daher wird das Grundstück dauerhaft gegen illegales Betreten gesichert. Die ASFINAG entfernt Sträucher und Bäume, die bisher als Sichtschutz dienten. Weiters werden künftig illegale Zeltlager möglichst sofort nach deren Errichtung entfernt. „Nur konsequentes Vorgehen kann dauerhaften Erfolg bringen“, ist Sicherheitsreferent Vizebürgermeister Detlef Wimmer überzeugt. „Ich hoffe, dass die ASFINAG unsere Bemühungen unterstützt, damit illegale Bettlerbanden in unserer Stadt nicht dauerhaft Fuß fassen können“.

Auch BettlerInnen haben ein Recht darauf, als Menschen wahrgenommen zu werden. Die für sich auch Rückzugsräume beanspruchen dürfen. Doch verwehrt man ihnen auch dieses Recht, selbst wenn sie bloß „Brachland“ benutzen, wie zuletzt wiederum nahe der Westbrücke. Das „Brachland“ zwischen Hauptpost und Westbrücke ist ja übrigens auf das gemeinsame segensreiche Wirken von Hiesl, Asfinag und Stadt Linz zurückzuführen. Da stehen Häuser, darunter auch solche, in die man erst kurze Zeit vor dem Auszug seiner BewohnerInnen Lifte eingebaut hat, seit Jahren leer, weil sie dem Ausbau der Waldeggstraße im Wege stehen würden.

Und es ist auch kein Geheimnis, dass man diese Gebäude braucht, um bei Lärmmessungen für den Westring zu günstigeren Ergebnissen zu kommen, weil diese ansonsten nicht einmal mehr für gewerbliche Zwecke genutzten Bauten die Lärmemissionen der Bahn abschirmen. Und Straße und Bahn wäre ja zu viel des Guten an Lärm für die Menschen, die rechterhands der Waldeggstraße (und dahinter) wohnen.

Grüße,
Erich Klinger

Ein Kommentar zu “Offener Brief von Erich Klinger an die Linzer SPÖ

  1. Auch wenn dieser Bürgermeister, der schon seit Jahren bei dr FPÖ besser aufgehoben wäre, selbst durch die schönsten Briefe nicht belehrbar sein wird – wir dürfen nicht aufhören, gegend diese unappetitliche Geisteshaltung anzuschreiben, anzureden, anzukämpfen. Laut, öffentlich und unentwegt. Danke, Erich Klinger!

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