Armut bestraft

Eine Aktion des Vereins für Obdachlose – Streetwork und der Bettellobby Tirol

Bettelnde Menschen werden in Innsbruck vermehrt mit Strafen konfrontiert und aus dem öffentlichen Raum vertrieben, weil sie Armut sichtbar machen. Statt Armut zu bekämpfen, wird der Fokus darauf gelegt, die betroffenen Menschen zu sanktionieren und somit aus dem Stadtbild zu entfernen. Mit der Aktion „Armut bestraft“ wollen wir, die Mitarbeiter*Innen von Streetwork des Vereins für Obdachlose und die Bettellobby Tirol, erklären und informieren, wie es dazu kam, dass bettelnde Menschen fast vollständig aus Innsbruck verschwanden. An verschiedenen Standorten in Innsbruck werden dazu in der Vorweihnachtszeit Figuren aus Holz platziert, die sich dem Umgang mit Armut und der Situation bettelnder Menschen widmen.

Begleittext zur Aktion

Der Verfassungsgerichtshof ist 2012 zur Erkenntnis gekommen, das Betteln grundsätzlich erlaubt sein muss, weil es unter das Recht auf freie Meinungsäußerung fällt. Menschen müssen und dürfen daher in der Lage sein, auf ihre Not aufmerksam zu machen. Tirol und andere Bundesländer, wo bis dahin noch absolute Bettelverbote vorherrschten, waren nun gezwungen, diese Gesetze abzuändern. In Tirol jedenfalls wurde es derart umformuliert, dass die Bestimmungen in der Praxis extrem weit ausgelegt werden und ungestraftes Betteln kaum möglich ist. So wissen wir zum Beispiel aus unserer täglichen Arbeit, dass ein „bitte für Essen“ schnell einmal als „aggressives Betteln“ gewertet wird und in der Folge 500€ Strafe nach sich zieht. Oder Menschen sich gerade einmal seit zwei Wochen in Innsbruck  aufhalten und bereits für so genanntes gewerbsmäßiges Betteln bestraft werden (500€). Als Indizien für diese angebliche Gewerbsmäßigkeit werden Merkmale wie Unterstandslosigkeit, keine Anknüpfungen in Österreich und Arbeitslosigkeit herangezogen.

Von Armut betroffene Menschen haben oft keine andere Möglichkeit, als den öffentlichen Raum dazu zu nutzen, um auf ihre Notlage hinzuweisen und wenigstens ein bisschen Kleingeld zu bekommen. Aber genau dafür werden Menschen bestraft. EU- Bürger*innen bekommen nämlich nicht, wie fälschlicherweise oft angenommen wird, automatisch Mindestsicherung.

 

Die freie Meinungsäußerung darf nicht auf diese Art eingeschränkt werden und die Situation von Menschen, die sich ohnehin in prekären Lebenslagen befinden, weiter verschlechtern. Neben den Geldstrafen erhalten bettelnde Menschen mitunter sogar Aufenthaltsverbote wegen mehrerer Verwaltungsstrafen, die sich aufgrund der benannten Strafpolitik schnell anhäufen.

Die Antwort auf Armut darf in einer demokratischen Gesellschaft nicht Bestrafung und Abschiebung sein, sondern sollte geprägt sein von Solidarität und Maßnahmen, die Armut und ihren Ursachen entgegenwirken und die Situation bettelnder Menschen verbessern.

Begleittext zur Aktion